Im Erbrecht stellt sich mitunter die Frage, ob ein Rechtsanwalt lediglich die letzten Seiten eines möglichen Testaments an das Nachlassgericht weiterleiten darf, wenn der Erblasser bestimmte Teile des Dokuments vertraulich behandeln wollte. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main stellte hierzu klar: Der Anwalt ist verpflichtet, das vollständige Original-Testament vorzulegen. Auch wenn der Mandant den Wunsch geäußert hat, einzelne Seiten geheim zu halten, müssen sämtliche Bestandteile des Testaments beim Nachlassgericht eingereicht werden, um dessen Wirksamkeit und Vollständigkeit sicherzustellen.
Das OLG Frankfurt hat entschieden: Ein Anwalt muss das Testament in voller Länge beim Nachlassgericht einreichen – selbst dann, wenn der Mandant die ersten Seiten vertraulich behandeln wollte. Nur die vollständige Vorlage aller Seiten gewährleistet die rechtliche Gültigkeit des Testaments. Jetzt mehr erfahren!
Anwalt muss vollständiges Testament vorlegen: OLG Frankfurt zur Geheimhaltung von Abschiedsbriefen
Ein Rechtsanwalt hatte von seinem Mandanten insgesamt sieben Seiten zur Verwahrung erhalten. Die ersten vier Seiten enthielten einen persönlichen Abschiedsbrief. Erst ab Seite fünf begann der Mandant mit den Worten: „Jetzt komme ich zu dem Teil, der nicht mehr vertraulich ist. Der Teil ist für mich wichtig.“ In diesem Abschnitt bestimmte er, dass sein gesamtes Vermögen an seine Mutter gehen solle.
Pflicht zur Herausgabe eines Testaments: OLG Frankfurt zur anwaltlichen Verschwiegenheit
Nach dem Tod des Mandanten beantragte dessen Mutter einen Erbschein. Im Zuge des Verfahrens erfuhr das Nachlassgericht von einem Abschiedsbrief des Verstorbenen und forderte den Anwalt auf, das Original vorzulegen – da der Brief vermutlich letztwillige Verfügungen enthielt. Der Anwalt übergab jedoch nur die letzten drei Seiten und behielt die ersten vier, die persönliche und vertrauliche Inhalte enthielten, zurück. Zur Begründung berief er sich auf seine anwaltliche Schweigepflicht, da sein Mandant ausdrücklich auf die Geheimhaltung dieser Seiten bestanden habe.
Das Nachlassgericht wies den Anwalt darauf hin, dass auch es selbst der Verschwiegenheit unterliege, und verlangte die vollständige Vorlage des Testaments. Der Anwalt legte Beschwerde gegen diesen Beschluss ein, da er sich ohne Einwilligung seines verstorbenen Mandanten außerstande sah, das gesamte Schriftstück zu übergeben.
OLG Frankfurt: Anwalt muss Abschiedsbrief vollständig beim Nachlassgericht einreichen
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat entschieden, dass ein Anwalt sich nicht auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen darf, um die Ablieferung eines Testaments zu verweigern (Beschluss vom 15.01.2025 – 20 W 220/22). Obwohl der Mandant bestimmte Teile seines Schriftstücks vertraulich behandelt wissen wollte, stellte das Gericht klar: Die Ablieferungspflicht gemäß § 2259 Abs. 1 BGB umfasst auch die ersten vier Seiten des Abschiedsbriefs. Diese könnten letztwillige Verfügungen enthalten – unabhängig davon, ob der Anwalt sie lediglich als persönliche Mitteilungen ansah. Die Entscheidung, ob ein Teil tatsächlich erbrechtlich relevant ist, liegt allein beim Nachlassgericht.
Zudem betonte das OLG, dass ein Erblasser die Testamentseröffnung nach § 2263 BGB nicht wirksam ausschließen kann. Die Pflicht zur Ablieferung stellt eine gesetzlich geregelte Ausnahme von der anwaltlichen Verschwiegenheit dar. Selbst wenn der Verstorbene eine vertrauliche Behandlung bestimmter Passagen angeordnet hat, ist der Anwalt verpflichtet, das gesamte Testament vollständig vorzulegen.

